N:: Lapidarium42 Datum:: 2025-07-04

Schreiben mit dem Zettelkasten: Vom Fragment zum Text_V2

In meinem Zettelkasten-System stehen weder das Schreiben noch das Sammeln im Mittelpunkt. Beides ist Mittel zum Zweck. Es geht mir darum, zu verstehen, zu lernen und mein Denken gezielt zu trainieren. Notizen sind nur der Anfang. Was zählt, ist, was daraus wird: Texte, die Gedanken weitertragen, klären, zugespitzt formulieren – als Zwischenrgebnis eines aktiven Verstehensprozesses.

Dabei geht es mir nicht um Vollständigkeit oder fertige Ergebnisse. Sondern um ein System, das Verbindungen sichtbar macht – und das mich dazu bringt, etwas Eigenes zu formulieren. Schreiben ist in meinem Zettelkasten keine Endstufe, sondern ein Dialog mit dem Material.


Vom Zettel zur Form

Der Weg beginnt oft mit einer Notiz – flüchtig festgehalten, manchmal noch nicht einmal in Obsidian, sondern mobil oder per Readwise. Sobald ich die Notiz in den Zettelkasten überführe, bekommt sie eine Form: ein Zettel mit Titel, Datum, Kontext wird per Definition zum Zettel. Der Zettel ist bzw. wird Teil des Systems Zettelkasten. Oft bleibt es erstmal bei einer losen Idee.

Wenn ein Gedanke andockt, ergänze ich ihn per Verweis. Wenn mir eine Gegenstimme auffällt, verlinke ich sie. So entsteht ein Netz. Wenn sich aus mehreren Zetteln ein thematischer Fokus ergibt, beginne ich, daraus eine Übersicht (Strukturzettel, MOC) zu konstruieren.

Schreiben beginnt mit Auswahl

Ich beginne nicht mit einem leeren Blatt, sondern mit einem Cluster von Zetteln, die ich gesammelt habe: Argumente, Gegenbeispiele, Begriffsdefinitionen. Ich öffne sie parallel, markiere Übergänge, ziehe manchmal eine temporäre Canvas-Ansicht zur Orientierung heran.

Oft schreibe ich den ersten Entwurf direkt in Obsidian – nicht als Zettel, sondern als eigenes Arbeitsdokument mit klarer Zielsetzung. Die zugehörigen Zettel verlinke ich im direkt im Text.


Text ist ein Zettel eigener Art

Ein großer Vorteil von Zetteln gegenüber linearen Texten liegt für mich in ihrer Modularität: Zettel sind wie Legosteine – sie lassen sich immer wieder neu kombinieren, um Gedanken aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten.

Statt einem einzigen, festgelegten Zugang entsteht ein Netz aus Begriffen, Beziehungen und Verweisen. So wird ein Thema nicht linear abgearbeitet, sondern dynamisch erschlossen. Jeder Zettel kann ein Einstiegspunkt sein, jeder Verweis eine Brücke zu einem anderen Kontext. Das eröffnet nicht nur mehr Anschlussmöglichkeiten, sondern auch mehr Möglichkeiten zur Reflexion und Neuinterpretation.

Ich betrachte den fertigen Text als Zettel höherer Ordnung. Er wird versioniert, kann kommentiert, aber auch wieder zerlegt werden. Manche Texte bleiben im System, andere wandern hinaus – in ein Blog, ein Dokument, eine Präsentation.

Wichtig ist: Das Schreiben verändert den Zettelkasten. Nicht nur, weil neue Zettel entstehen, sondern weil beim Schreiben alte Zettel neu gelesen und anders verbunden werden. Der Zettelkasten ist nicht das Vorstadium des Texts, sondern sein Resonanzraum.

Schreiben mit System – aber nicht systematisch

Ich nutze keine festen Templates oder Workflow-Vorgaben. Mir geht es eher um Wiedererkennbarkeit: Wenn ich ein Thema aufgreife, will ich schnell sehen, was ich schon gedacht habe, welche Quellen ich mir erschlossen habe, und wo ich weiterdenken kann.

Mein System lebt davon, dass ich beim Schreiben nicht bei null beginne – und trotzdem offen bleibe. Für Umwege, Querverbindungen und das, was ich vorher übersehen habe.

Das Schreiben im Zettelkasten ist für mich deshalb kein Ziel, sondern ein kontinuierlicher Arbeitsmodus, der Lernen und Denken in Bewegung hält.

Wenn es gut läuft, FLOW :-)

R:: Teil5_Revision_V2